
Seit 50 Jahren sind sie diejenigen, die dafür sorgen, dass tausende Menschen die urigste Kerwe an der Bergstraße feiern. Doch der Kerwe- und Heimatverein ist mehr. Seit 50 Jahren macht er sich um das kulturelle Leben und dessen Tradition verdient. Vergangene Woche wurde das Jubiläum mit geladenen Gästen in der Hans-Michel-Halle gefeiert.
„Der Verein ist schon irgendwie etwas Besonderes“, sagte Bürgermeister Jürgen Kirchner in seinem Grußwort. Dessen Mitglieder erfüllten nicht nur einen kulturellen Auftrag, sie lebten ihn „mit Leidenschaft, mit Herzblut und mit Hingabe“, so Kirchner weiter. Darauf war bereits der Vereinsvorsitzende Patrick Gauch in seiner Begrüßung eingegangen. Die Entwicklung des Vereins komme nicht von ungefähr, dankte er den Mitgliedern für ihr ehrenamtliches Engagement. Sie haben aus seiner Sicht elementar dazu beigetragen, dass der Verein seine heutige Bedeutung habe. Nun gelte es, der Jugend das Verständnis für die Tradition zu vermitteln. Damit trage man das Brauchtum weiter. „Wir können stolz sein auf das, was wir tun“, konstatierte Gauch.
Welchen Stellenwert die Kerwe seit Gründung des Vereins am 29. Januar 1975 hat, zeigte sich an anderer Stelle in der Hans-Michel-Halle. Angeheftet an einer Wand ließ sich ein Blick auf die Kerwe-T-Shirts werfen, in Vitrinen waren Bierkrüge und andere Devotionalien ausgestellt. Eine Wand war geschmückt mit einem umfangreichen Pressespiegel, der die jahrzehntelange Arbeit dokumentierte, einschließlich der einen oder anderen Kerwerede. Für die wurde in der Halle die Brücke der Vernunft nochmals wiederbelebt, die als Erster der amtierende Pfarrer Nils Drücker samt Mundschenk Florian Bauer betrat. Als Alt-Parre durften von dort Manuel Fink, Marc Weber, Andreas Wiegand und Denis Klefenz zu den ca. 250 Gästen in den leider teils spärlich besetzten Tischreihen sprechen. Letzterer bewarb sich mit einem nicht ganz ernst gemeinten Wahlprogramm als Bürgermeister. Seine Idee der einwöchigen Kerwe – für die gab es aber in jedem Fall Applaus.
Wer sich um Tradition bemüht, baut die natürlich auch in seine Jubiläumsfeier ein. Die – verkürzten – Kerwereden, flankiert vom Jubiläumskranz samt Schlumbl, waren dabei nur ein Teil, auch der Kerwetanz, dargeboten von den befreundeten Kerwe- und Heimatvereinen, durfte nicht fehlen. Und weil 50 Jahre zu feiern waren, gab es nicht nur einen Tanz, sondern vier. Allerdings ohne Hemsbacher Beteiligung. Zwar gibt es eine gut besetzte Trachtengruppe – aber keine Tanzgruppe. „Das wäre mal eine Aufgabe für euch“, zwinkerte Reiner Jöst von der Liewerschbescher Kerwe den Jubilaren vor der Bühne zu. Während sich Sabine Zeiß-Stahl vom Verkehrs- und Heimatverein Lützelsachsen wünschte, dass man in der AG, die man seit 40 Jahren bildet, weiter gut zusammenarbeite, überbrachte Jürgen Gustke vom Sing- und Volkstanzkreis Leutershausen den obligatorischen Umschlag. Den gab es auch seitens des Bunds Heimat und Volksleben, dessen Vorstandmitglied Gunther Udri als Gratulant angereist war.
Bei einem bis 23 Uhr dauernden Programm, das bereits um 18.45 Uhr begann, gab es natürlich einige Höhepunkte. So eine Filmvorführung aus dem Jahr 1985 und dem Lied „Kreiz-Siwwener“, das traditionell im Rahmen des montäglichen Frühschoppens gesungen wird. Auch die Tracht war Gegenstand des Abends. Eine Überraschung, die nicht im Programm stand, überbrachte Markus Wilhelm, Sohn des früheren Kerwevatters Dieter Wilhelm. Er schenkte dem Verein ein selbstgemaltes Schild mit der Aufschrift Kerweverein Hemsbach samt dem Stadtwappen. „Ich habe es in der Garage gefunden“, erzählte Wilhelm, der nach dem Tod seines Vaters dessen Nachlass sortiert hatte.
Angesichts des Programms fühlte man sich durchaus hineinversetzt in die Kerwe. Patrick Gauch machte in seiner Rede einen Ausflug in das für etliche Hemsbacher wohl schönste Wochenende des Jahres. Als 8-Jähriger habe er den Schaustellern beim Aufbau zugeschaut. Als das 40. Jubiläum gefeiert wurde, sei er Kerweborschd und mitten im Studium gewesen, erzählte Gauch. Zehn Jahre später führte er nun den Verein. „Wie die Zeit vergeht“, wunderte er sich. Doch mit 50 Jahren ist der Kerwe- und Heimatverein längst nicht mehr aus der Stadt wegzudenken. „Ihr seid nicht nur ein Verein, ihr seid ein Stück Hemsbach. Ein lebendiges, manchmal lautes, aber immer buntes und herzhaftes Stück“, machte das auch Bürgermeister Kirchner deutlich. Dass es andere Vereine schwer haben, darauf verwies Andreas Wiegand mit seiner Kurzfassung der Kerwerede. „Eine Handvoll Leit, die die Vereine am Leben halten“, machte er deutlich, dass der Helfermangel zu Traditionsverlusten führte. Davon ist der Kerwe- und Heimatverein weit entfernt. Und dass die Mitglieder treu sind, davon sprachen die Ehrungen an diesem Abend. So wurde Heidi Ströbel, die erste Frau, die 1987 Tracht trug, für 35 Jahre Mitgliedschaft ausgezeichnet. Derweil erhielten Richard Jung, Klaus Müller, Kurt Pfliegensdörfer, Werner Weithofer und der Verkehrsverein Hemsbach, vertreten durch Meike Drücker und Paula Vondung, die Ehrung für 50 Jahre Vereinszugehörigkeit.
Eine Tradition lebte an diesem Abend sogar auf, denn mit der Ernennung von Bernd Ströbel wurde das Amt des Kerwevatters, das seit dem Tod von Hans Gölz 2017 unbesetzt blieb, wieder eingeführt. Ströbel trat 1984, 1985, 1990 und 1995 als Kerweparre auf. „Mit vier Malen im Amt ist Bernd bis heute der Rekordhalter“, sagte Patrick Gauch in seiner Rede. Ströbel war mehr als 20 Jahre im Vorstand aktiv, darunter auch als Erster Vorsitzender. „Das muss man erstmal schaffen, sich so lange ehrenamtlich für einen Verein zu engagieren“, lobte Gauch. Für dieses Engagement erhielt Ströbel eine Ehrenmedaille des Vereins. „Jetzt muss ich natürlich auch was sagen, wenn ich schon hier oben stehe“, sagte der frisch gebackene Kerwevatter von der Bühne aus. Das Amt sei etwas Besonderes. Er habe alle vier Vorgänger persönlich gekannt, sagte Ströbel mit Blick auf die bisherigen Kerwevatter. „Wenn ich vielleicht mal die Kerwevorstandssitzung besuche und ich denk’, ich muss irgendwas sagen, werde ich etwas sagen“, so Ströbel. Er mache natürlich mit Herzblut weiter. Zugleich dankte Ströbel den anderen Mitgliedern für ihr Engagement. „Ich sehe uns auf einem guten Weg, weiter so“, lobte er. (cs)