
Die Ohren klingeln, meint Christoph Sonntag im Vorgespräch, eigentlich Zeit für Urlaub. Stattdessen ist für ihn derzeit - klassisch schwäbisch – schaffe schaffe Pointen baue angesagt. Wir haben den kabarettistischen Tausendsassa und Hans Dampf in alla Gässle an der Strippe, und wie dessen Kalender der kommenden Monate vermuten lässt, wird der Urlaub noch ein Weilchen auf sich warten lassen …
NUSSBAUM.de: Christoph, Du hast derzeit viel im Kalender stehen: Was genau steht denn an?
Christoph Sonntag: Vieles. Es ist ja wunderbar, man will ja gefragt sein, und wenn dann die Aufträge kommen, ist man erstmal freudig erregt, toll, das darf ich alles machen und dann schaut man sich die Menge an … Uff. Also zunächst kommt der Fernsehmitschnitt am 31. Oktober und 1. November auf mich zu. Dazu muss ich mein eingeschliffenes aktuelles Liveprogramm (Ein Tritt frei, Anm. d.Red.) neu umbauen, weil das Fernsehen andere Voraussetzungen hat. Bestimmte Nummern werden ersetzt durch andere, die ich aktuell neu geschrieben habe.
NUSSBAUM.de: Hat das einen bestimmten Grund?
Christoph Sonntag: Eher Formsache. Zum Beispiel ist in der Liveshow Bruder Christopherus dabei, weil ich den ja immer mit mir rumtrage, der SWR will die Figur aber exklusiv zur Kult-Fernsehsendung.
Der zweite Grund ist, dass mein Programm aktuell zwei Stunden dauert und wir fürs Fernsehen eine 90 Minuten-Produktion machen. Und diese Sendung wird gleichzeitig so mitgeschnitten und konfiguriert, dass sie auch drei 30-Minüter gibt. Das ist natürlich hochkompliziert. Das heißt, wir nehmen im Off vorab die weiteren Einsätze auf – also auch die Begrüßungen und Verabschiedungen aller drei Sendungen. Das haben wir dann quasi im Schränkle liegen und die 90 Minuten-Sendung ist dann die, die im Wilhelma-Theater am Stück durchspiele.
NUSSBAUM.de: Grundlage ist aber das aktuelle Bühnenprogramm „Ein Tritt frei!“. Aktualisierst du das eigentlich inhaltlich für die TV-Show oder bleibt das statisch?
Christoph Sonntag: Es ist vernünftigerweise sogar so, dass der Fernsehmitschnitt auf Zeitlosigkeit angelegt ist. In den letzten Monaten hat der SWR vermehrt vergangene Mitschnitte von mir gesendet, und wenn da die Rede von Angela Merkel ist, irritiert das aus heutiger Zuschauersicht schon wieder. Für den Mitschnitt nehme ich also die Aktualitäten raus. Das hat auch den Vorteil, dass Zuschauer, die den Mitschnitt dann in ein paar Jahren sehen, vielleicht sagen werden, „Ach herrlich, damals war die Welt noch in Ordnung“.
NUSSBAUM.de: Vielleicht etwas fatalistisch, wenn man die aktuelle Weltlage betrachtet. Wenn das zukünftig als „noch in Ordnung“ gesehen wird, wie soll denn dann die Zukunft aussehen?
Christoph Sonntag: Das ist ja die kabarettistische Sichtweise. Wir Menschen neigen bekanntlich dazu, im Rückblick „früher war alles besser“ zu sagen, auch wenn das vielleicht gar nicht stimmt. Aber ich bin ausgesprochener Optimist. Ich glaube, dass die Welt nicht untergeht und auch, dass die Demokratie stark genug ist, die momentanen Krisen samt Erdogan, Trump & Co. auszuhalten.
NUSSBAUM.de: Und nach der TV-Show steht dann das nächste Live-Programm an für dich?
Christoph Sonntag: Genau. Premiere ist am 29. Januar im Theaterhaus Stuttgart, Etwa zwei Jahre vor einer Premiere lege ich am Computer einen neuen Ordner an – Neues Programm. Und dann beginnt eigentlich schon die Arbeit, dann wird im imaginären Zettelkasten gesammelt, im Kopf sortiert, erweitert, übertragen, ausgearbeitet, bis das Programm steht. Das eigentliche Einüben mit Regisseur ist dann eher noch die lästige Pflicht …
Ich habe ja das große Glück, dass ich mich dieses Mal mit AZNZ (Alte Zeiten Neue Zeiten, Anm. d. Red.) auf ein bewährtes Programm berufen kann – in der Version 2.0. Die erste Version nahm ja viel Bezug auf das Früher der 1970er und 1980er-Jahre, aber „früher“ meint heute auch schon die Jahre vor der Jahrtausendwende, die 90er, die ersten PCs, als es noch kein Google und keine KI gab … Damals, als es noch Disketten gab und 60 Seiten DIN A 4-Text auf eine davon passten. Verrückt. Ich werde also das Programm in mehrere AZNZ-Blöcke unterteilen und je ein Jahrzehnt in den Fokus nehmen.
NUSSBAUM.de: Hast Du da eigentlich eine Feedback-Instanz im Vorfeld?
Christoph Sonntag: Meistens meinen Regisseur, ja, aber auch unseren technischen Leiter. Der gibt ein sehr pragmatisches Feedback, achtet viel auf Umsetzbarkeit, Machbarkeit, Beschallung etc. Der sagt mir schon recht früh, wenn etwas nicht möglich ist oder überarbeitet werden muss.
Insgesamt bin ich da auch ein bisschen realistischer geworden; bei einem Live-Programm wollte ich unbedingt einen funktionierenden Nachbau vom Brunnen des kleinen Schlossplatzes in Stuttgart auf der Bühne haben. Allein für den Transport mussten wir einen extra LKW kaufen, ich glaube wir haben die ersten Monate nur gespielt, um die Produktionskosten reinzuholen. Ein Wahnsinn. Solche Dinge weiß mein „Technischer Generaldirektor“ mittlerweile zu verhindern. Aber dieser Brunnen kriegt beim TV-Mitschnitt im Wilhelma Theater noch einmal einen großen Einsatz, damit er sich auch wirklich gelohnt hat.
NUSSBAUM.de: Dein „Goldener Bulle“, der Kabarett-Live-Contest mit Publikumsjury, scheint ja jetzt in Stuttgart angekommen sein. Wie bewertest du die ersten Monate?
Christoph Sonntag: Es ist beeindruckend für mich zu sehen, wie dieses Projekt von der Idee und dem Konzept seinen Weg vom kleinen Schalander in Ulm mit 60 Zuschauern nach Stuttgart in das SpardaWelt Event-Center bzw. das Porsche-Zentrum gefunden hat. Der Goldene Bulle hat in kürzester Zeit große Relevanz bekommen, das merken wir regelmäßig. Mittlerweile melden sich die Künstler, die spielen möchten, von selbst bei uns, für 2026 sind fast schon alle beieinander und jetzt zum großen Finale am 8. Dezember in Stuttgart werden die drei Kandidaten mit den besten Publikumsbewertungen nochmals gegeneinander antreten, das wird toll.
Und dann beginnt die Tour, und dann steht schon wieder Fasching an und Bruder Christopherus steht auf der Bühne und dann … dann atmet der Christoph erstmal tief durch und schickt euch allen einen schönen Urlaubsgruß vom Meer.
