Wenn Ricarda Louk morgens auf das Handy schaut, sind in den sozialen Medien fast täglich noch Fotos ihrer Tochter Shani zu sehen. «Es gibt immer noch sehr viel Leute im Ausland, die täglich Bilder von ihr verbreiten», sagt Louk. Menschen aus der ganzen Welt würden ihr schreiben, wie sehr sie Shanis Schicksal berührt habe. «Es ist wirklich schön.»
Shani Louk war gerade einmal 22 Jahre alt, als sie dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen vom 7. Oktober 2023 zum Opfer fiel. Zum Zeitpunkt des beispiellosen Angriffs war sie zusammen mit Hunderten anderen jungen Menschen auf dem Supernova-Festival in Südisrael gewesen. Ihre Leiche wurde in den Gazastreifen verschleppt.
Ein Video, das ihren leblosen Körper auf einem Geländewagen der Terroristen in den Straßen des Küstenstreifens zeigte, ging um die Welt. Am 17. Mai 2024 teilte die israelische Armee den Fund der Leiche der Deutsch-Israelin mit. Zwei Tage später wurde sie in Srigim nahe der Stadt Bet Schemesch beerdigt.
«Man fühlt es immer noch», sagt Louk wenige Tage vor dem Jahrestag. Man spüre den Terror des 7. Oktobers noch, auch wenn er im Rest der Welt in Vergessenheit zu geraten drohe. «Man hat schnell vergessen, wie das überhaupt angefangen hat und warum wir in dem Krieg sind, dass immer noch Geiseln festgehalten werden», so Louk weiter
Die vergangenen eineinhalb Jahre seien für sie und ihre Familie intensiv gewesen. «Das ganze Leben hat sich auf den Kopf gestellt für unsere Familie.» Am Anfang hätte sie noch versucht zu arbeiten, in der Routine zu bleiben. «Aber jetzt habe ich gesagt, alles um mich herum hat sich so verändert, ich muss mich auch verändern.»
Nach 24 Jahren habe sie ihren Job in der Hightech-Branche gekündigt. «Wir haben viele Reisen ins Ausland gemacht, um über Shani zu sprechen und mehr Aufmerksamkeit für den 7. Oktober zu bekommen.» Außerdem mache sie eine Art Fototherapie-Ausbildung. «Ich bin kein Therapeut am Ende, aber man kann Gruppentherapien machen mit Leuten und viel mit Bildern erklären.»
Ihre Familie sei sehr optimistisch eingestellt. Das habe ihr auch dabei geholfen, mit dem Geschehenen besser umgehen zu können. «Wir schauen nach vorn und dadurch haben wir viel Kraft gefunden.» Viele andere Familien seien noch ganz tief im Loch, für sie sei es schwierig weiterzumachen, berichtet Shanis Mutter, die aus dem oberschwäbischen Ravensburg stammt und schon vor Jahrzehnten nach Israel ausgewandert ist.
«Es tut gut, über Shani zu sprechen», sagt sie. Nicht, wenn es die ganze Zeit sei – so wie bei intensiven Reisen ins Ausland. «Das ist manchmal dann schon hart jeden Tag darüber zu sprechen und die gleiche Geschichte zu erzählen.» Aber im Allgemeinen tue es der Familie gut.
Es gebe viele Daten, die sie an ihre Tochter erinnern würden. «Jeder Tag ist ein Erinnerungstag. Ich erinnere mich immer am meisten an Shani, wenn ich alleine Auto fahre und Musik höre. Die Musik, die wir immer zusammengehört und gemocht haben.»
Die Freundinnen von Shani würden zu ihrem Gedenken im Juni ein großes Musikfestival in einem Wäldchen in der Nähe von Tel Aviv planen. Zum Jahrestag ihrer Beerdigung am 19. Mai werde sie wahrscheinlich nur mit der engsten Familie an das Grab gehen.